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EY zieht Freshfields erneut in den Cum-Ex-Sumpf hinein

Es ist ein Treffen der Getriebenen. Am 12. Mai kommen die Anwälte der Kanzlei Freshfields mit denen der Prüfungsund Beratungsgesellschaft EY vor dem Landgericht Stuttgart zusammen. Beide Seiten sind mit der Aussicht
konfrontiert, für einen potenziellen Schaden von insgesamt 195 Millionen Euro haftbar gemacht zu werden. Auf diesen
Betrag hat Michael Frege, der Insolvenzverwalter der Maple Bank, EY verklagt. Er wirft der Big-Four-Gesellschaft vor,
mitverantwortlich für einen Teil des Schadens zu sein, der durch die Maple-Pleite 2016 entstand.
Zwar wehrt sich EY gegen die Millionenforderung, doch sind sich die Wirtschaftsprüfer eines Sieges offenbar nicht
sicher. Deshalb hat die Firma Freshfields und einigen früheren Managern des Finanzinstituts den Streit verkündet. Das
bestätigte eine Sprecherin des Landgerichts Stuttgart auf Nachfrage dem Handelsblatt.
Das offensichtliche Kalkül von EY: Wenn es vor Gericht schiefgeht, will man wenigstens nicht allein auf dem Schaden
sitzen bleiben. Auch Freshfields würde dann einen Teil der Zahlung leisten müssen. In diesem Szenario könnte sich
die Kanzlei juristisch wehren.
'Wir weisen die Vorwürfe des Insolvenzverwalters weiterhin entschieden zurück', sagte ein EY-Sprecher. 'Wir betonen,
dass wir an der Gestaltung von Cum-Ex-Geschäften weder in diesem Fall noch in anderen Fällen beteiligt waren.'
Warum EY Freshfields den Streit verkündet hat, wollte er nicht sagen. Auch Freshfields lehnte einen Kommentar ab.
EY steht schon wegen seiner Rolle im Wirecard-Skandal mit dem Rücken zur Wand. Der Konzern muss sich den
Vorwurf gefallen lassen, jahrelang offenbar gefälschte Bilanzen testiert zu haben. Es gibt Schadensersatzklagen und
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Umfeld gegen dafür verantwortliche Prüfer. Brisant: In diesem Komplex hat EY
ausgerechnet Freshfields engagiert.
Böses DéjÁ -vu für Freshfields
In der Causa Cum-Ex verlaufen die Frontlinien anders. Freshfields erlebt mit der Streitverkündung ein böses DéjÁ -vu.
Frege hat die einst renommierte Kanzlei bereits wegen der Beratung der Bank zu den Cum-Ex-Geschäften auf knapp
100 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Nur mit Mühe gelang es der Sozietät, die Klage außergerichtlich zu
klären - gegen eine Zahlung von 50 Millionen Euro. Es war ein außergewöhnlich hoher Betrag, zumal Freshfields die
Forderung Freges lange scharf zurückwies und behauptete, seine Beratung in Sachen Cum-Ex sei im Grunde in
Ordnung gewesen.
In der Realität zeigte sich ein anderes Bild. Freshfields war wie keine andere Wirtschaftskanzlei in den Cum-ExSkandal verstrickt. Der lateinische Begriff steht für den größten Steuerskandal Europas. Jahrelang gelang es Banken
und Investoren, in verschiedenen Ländern Steuergelder abzuzweigen. Ohne die Hilfe von Rechtsanwälten wäre das
nicht gelungen.
An vorderster Front: Freshfields. Die Firma fertigte zahlreiche Gutachten vor allem für Banken, die bei den
Aktienkreisgeschäften die Rolle des Leerverkäufers einnahmen.
Deutsche Gerichte haben inzwischen geurteilt, das Geschäftsmodell an sich sei von jeher kriminell gewesen.
Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach nennt es 'industrielle Steuerhinterziehung', das
Oberlandesgericht Frankfurt 'Verbrechen'.
Heute stehen mehrere einstige Freshfields-Partner auf den Beschuldigtenlisten der Staatsanwaltschaften. Die
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat bereits zwei Anwälte angeklagt. Allerdings ist noch unklar, ob die beiden
Juristen zum Prozessstart am 17. Mai mit auf der Anklagebank des Landgerichts Frankfurt sitzen. Das Gericht will
zunächst gegen frühere Maple-Banker verhandeln - ohne die Freshfields-Steuerexperten. Die Staatsanwaltschaft will
die Abtrennung verhindern. Über diese Frage muss das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden.
Freshfields selbst bleibt zumindest dieser Strafprozess erspart. Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft die Kanzlei
an dem Prozess beteiligen. Das konnte Freshfields abwenden - mit einer freiwilligen Zahlung in Höhe von zehn
Millionen Euro an die hessische Finanzbehörde.

Quelle: Handelsblatt

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